In der heutigen Geschäftswelt stehen Unternehmen vor ständigen Veränderungen und damit verbundenen Herausforderungen. Doch oft scheinen Führungskräfte im Dschungel des Alltagsmanagements verloren zu sein, anstatt die Richtung vorzugeben und echte Führung zu zeigen. Unsere Berater Christian und Max, die kürzlich gemeinsam mit dem Zug unterwegs waren, kamen während dieser Reise auf genau dieses Thema zu sprechen – eine Diskussion über Führungskräfte als Change Agents und wie sie befähigt werden können, diese Rolle auszufüllen.

Management statt Leadership

Christian: Max, es gibt etwas, das mich schon seit einiger Zeit beschäftigt. Egal, ob es um große Konzerne, mittelständische Unternehmen, Technologieunternehmen oder Dienstleister geht – überall scheinen Führungskräfte zu kämpfen, um in der Veränderung selbst in die Gänge zu kommen. Sie stecken fest in der Erwartung, Managementaufgaben zu erledigen, während sie eigentlich führen müssten. Wie erlebst du das?

Max: Das ist eine Beobachtung, die ich tatsächlich auch oft mache. Besonders bei mittelständischen Unternehmen oder auch in Konzernen, fällt auf, dass das mittlere Management oft eher Management betreibt als wirklich Leadership. Die Führungskräfte ziehen ihre Energie und ihre Daseinsberechtigung daraus, operative Probleme zu lösen, statt zu führen.

Welchen Einfluss hat unsere Kultur in Deutschland auf die Führung?

Christian: Könnte es sein, dass dies auch mit unserem kulturellen Kontext zusammenhängt? Ich denke dabei an die deutsche Vorsicht und Zurückhaltung, die sich möglicherweise auch im Führungsalltag widerspiegeln.

Max: Das könnte einer der Gründe sein – bei unseren Kunden aus dem Ausland ist das Phänomen jedenfalls oftmals schwächer ausgeprägt. Darüber hinaus jedoch auch die Tatsache, dass viele Unternehmen von ihren Führungskräften möglicherweise gar nicht so sehr Führung erwarten, sondern vor allem effizientes Management.
Es geht weniger um Inspiration oder Innovation, sondern eher darum, dass der Betrieb reibungslos läuft und Probleme vermieden werden. Die »German Angst« spielt hier sicherlich eine Rolle und wird zusätzlich verstärkt durch Führungskräfte, die in ihrer Komfortzone bleiben. Allerdings würde ich dieses Problem nicht nur den Führungskräften selbst zuschreiben, sondern auch dem Umfeld, in dem sie agieren.

Christian: Ein weiterer Aspekt könnte sein, dass es vielen mittelständischen Unternehmen in der Vergangenheit zu gut gegangen ist. Sie waren erfolgreich mit ihrem bisherigen Managementstil. Und das ist natürlich kein Katalysator für ernsthafte Veränderung oder Transformation.

Veränderungsgeschwindigkeit erhöht sich

Max: Das stimmt. In den letzten Jahren haben wir aber gesehen, dass sich in vielen Branchen die Veränderungsgeschwindigkeit erhöht hat. Unternehmen müssen sich schneller an die Marktbedingungen anpassen. Fast jeder unserer Kunden hat mit dem Problem zu kämpfen, keine Alleinstellungsmerkmale mehr zu haben. Um damit umzugehen, erfordert eine Veränderung im Management und in der Führung. Aber wenn die Führungskräfte hauptsächlich operativ tätig sind und nur wenig Zeit für strategische Arbeit haben, frage ich mich, woher die Transformation kommen soll.

Christian: Genau, die VUCA-Welt ist auch in mittelständische Unternehmen angekommen. Komplexität und Ambiguität erfordern neue Strategien, während Volatilität und Unsicherheit dazu führen, dass Unternehmen sich neu erfinden müssen.

Welche Rolle spielt die Führungskraft in einer Veränderung?

Max: Ich sehe noch einen anderen Aspekt. Oft verstecken sich Führungskräfte im mittleren Management hinter Scheineffizienz und erledigen einfach ihre Aufgaben, ohne die Flughöhe zu ändern und sich zu fragen, was sie zur Transformation beitragen können. Wie könnten wir diesen Führungskräften deiner Meinung nachhelfen, ihre Rolle zu ändern?

Christian: Also, ich denke, um echte transformationale Führung in Unternehmen zu etablieren, braucht es radikale Ansätze. Ich sehe fünf Kategorien, anhand derer wir beurteilen können, ob Führungskräfte Transformation führen können. Erstens sollten sie positiv ausgerichtet sein und Ressourcen statt Defizite in den Vordergrund stellen. Zweitens sollten sie inspirierend sein und eine langfristige Vision für die Organisation etablieren oder zumindest offen unterstützen. Drittens ist es wichtig, dass sie kontinuierlich lernen und die Organisation sowie die Mitarbeiter weiterentwickeln. Viertens sollten sie disruptiv sein und traditionelle Denkweisen infrage stellen. Und schließlich ist es entscheidend, dass sie ein demütiges Selbstverständnis haben und sich als dienende Führungskraft für ihre Mitarbeiter betrachten, um First Follower in der Organisation zu generieren.

Max: Ich denke, wir müssen sogar noch weiter gehen: Es geht auch darum, die Führungskräfte in die Rolle der Change Agents zu bringen. Sie müssen in die Lage gebracht werden, den Dialog zu führen, bewusst Widerstände und Reibung herbeizuführen, um Energie zu nutzen und wirklichen Fortschritt zu erzeugen. Dazu müssen sie verstehen, dass Leadership im Change essenziell wichtig für den weiteren Fortschritt ist. Was sind deine Ideen und auch deine Erfahrung, wie das am besten funktionieren kann?

Führungskräfte als Change Agents

Christian: Das würde ich ebenfalls radikal angehen. Es mag herausfordernd sein, das in den Alltag einer Führungskraft in einem mittelständischen Unternehmen zu integrieren. Doch aus meiner Sicht muss der erste Schritt die Konfrontation mit der Diskrepanz zwischen dem aktuellen Managementstil und dem anzustrebenden transformationalen Führungsverhalten sein. Es ist wichtig, klar zu artikulieren, wie transformationales Führungsverhalten aussehen würde. Zweitens schlage ich vor, ein Reframing vorzunehmen und die Führungskräfte aus ihrem eigenen Umfeld herauszuholen, um in China, USA oder Indien ein anderes Verhalten zu erleben. Und drittens sollten wir Führungskräfte aus ihrer Expertenrunde herausnehmen und außerhalb ihrer Wohlfühlzone in andere Bereiche bringen, wo sie ihre Expertise nicht einbringen können und nur mit echter Führung arbeiten können.

Max: Da habe ich eine etwas abweichende Meinung. Die letzten beiden Punkte sind zwar gut gemeint, aber in der Realität sehe ich das anders, da Führungskräfte oft im Hamsterrad gefangen sind. Für mich wäre der zweite Schritt daher, Raum zu schaffen, um an Transformation, Führung und Strategien zu arbeiten. Oft hören wir von Führungskräften: „Wann soll ich das denn machen?“ Und: „Zwei Stunden die Woche reichen doch für Strategie-, Change- und Transformationsarbeit.“ Doch das reicht leider nicht aus. In meinen Projekten habe ich bewusst Interventionen eingeführt: Wir nehmen uns Zeit, um den Kalender freizuräumen, Projekte zu repriorisieren und abzumelden.

Christian: Das ist nachvollziehbar. Es gibt sicherlich Umfelder, in denen anschlussfähigere und disruptivere Vorgehensweisen besser geeignet sind. Der eine Weg mag für manche besser sein als der andere, und wir möchten natürlich eine breite Zielgruppe ansprechen.

Max: Ja, und was als nächster Schritt aus meiner Sicht noch fehlen würde, ist den Leuten Selbstbewusstsein zu geben, indem wir ihnen ein doppeltes Netz in Situationen bieten, in denen sie dieses Führungsverhalten ausprobieren und auch Fehler machen können. Denn ganz ehrlich, nicht jeder ist ein geborener Leader. Viele sind sehr gute Manager oder Fachexperten und fühlen sich in ihrer Fachkarriere besser aufgehoben. Vielleicht wäre es sogar eine Entlastung, das realistisch zu betrachten. Man gibt den Leuten die Chance, sich auszuprobieren, und lässt sie dann sich selbst die Fragen stellen: „Glaube ich, dass ich diese Rolle wahrnehmen kann? Oder kann ich meine Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfahrungen vielleicht in einer anderen Rolle besser einbringen?“

Christian: Ich würde auch hier noch weiter gehen. Es ist wichtig, zwischen Experten und Führungskräften zu unterscheiden und den Menschen die Wahl zu lassen, welchen Weg sie einschlagen möchten. Zusätzlich sollten wir darüber nachdenken, die eigentliche Führungsrolle von Managementaufgaben zu entlasten. Vielleicht sollten wir sogar erwägen, viele Managementaufgaben aus der Führungsrolle herauszunehmen, um den Führungskräften die Möglichkeit zu geben, sich nur auf Leadership zu fokussieren.

Max: Absolut, und ich denke, das geht Hand in Hand mit dem, was wir diskutiert haben. Denn letztendlich brauchen Führungskräfte genau diesen Raum, um sich auf Leadership zu konzentrieren und ihre Rolle als Change Agents zu erfüllen. Organisationen müssen ermutigt werden, diesen Schritt zu gehen und die Führungskräfte in ihrem Entwicklungsprozess zu unterstützen.

Christian: Genau das sehe ich auch so. Als Berater ist es unsere Aufgabe, unsere Kunden auf diesem Weg zu begleiten. Ich bin gespannt, wer sich für diese Veränderung öffnet und wie wir dabei unterstützen können.

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Autoren

  • Max Leichner

    "Max ist einer unserer erfahrensten Berater an Bord. Er beleuchtet Themen rund um Change Management, Führung und Zusammenarbeit, Projektmanagement, Agilität und New Work."

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  • Dr. Christian Berthold

    "Christian ist eine tragende Säule unseres Kernteams und unser Mann für herausfordernde Change-Projekte. Mit frischer Neugier und Lebendigkeit nähert er sich Systemen an. Er ist ein Meister darin, aus einzelnen Teilen die Vision von etwas Neuem zusammenzufügen."

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  • Vanessa Griebel

    "Vanessa bildet das Herz all unserer Marketing-Aktivitäten. Dabei ist sie ein wahres Multitalent: Sie versorgt unsere Online-Präsenzen mit Content, weiß genau, worauf es beim User ankommt und behält mit viel Organisationsgeschick dabei das Große & Ganze im Blick."

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