
Ein stilles Phänomen greift um sich: Laut der aktuellen EY-Studie sind nur noch 18 % der Beschäftigten in Deutschland hochmotiviert. Fast ein Drittel macht nur noch das Nötigste – ein Zustand, den viele Führungskräfte erst bemerken, wenn es längst zu spät ist. Doch die gute Nachricht lautet:
Innere Kündigung ist kein unabwendbares Schicksal, sondern ein Warnsignal. Wer früh reagiert, kann Teams neu beleben – mit Haltung, Struktur und Sinn.
Die Psychologie hinter der „stillen Kündigung“
Innere Kündigung beschreibt einen psychologischen Rückzug aus der Organisation – häufig als Reaktion auf:
- Wertediskrepanzen (zwischen individueller Haltung und Unternehmenskultur)
- Unklare oder widersprüchliche Erwartungen
- Mangelnde Anerkennung oder Entwicklungsperspektiven
- Dauerhafte Über- oder Unterforderung
Systemisch betrachtet handelt es sich nicht um ein individuelles Problem – sondern um ein wahrgenommenes Ungleichgewicht zwischen Geben und Bekommen, zwischen Selbstwirksamkeit und Fremdsteuerung. Der Rückzug ist ein stiller Versuch, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Frühwarnzeichen erkennen – bevor es zu spät ist
Führungskräfte erleben innere Kündigung oft diffus. Die Symptome wirken auf den ersten Blick harmlos, doch sie sind Ausdruck eines tiefgreifenden Distanzierungsprozesses der Mitarbeitenden:
Warnsignal | Bedeutung |
---|---|
Rückzug aus Meetings | Verlust an Mitgestaltung & Identifikation |
Sinkende Qualität bei Routineaufgaben | Schwund von Sorgfalt & Stolz |
Ironie, Sarkasmus, „Dienst nach Vorschrift“ | Zynismus als Selbstschutz |
Plötzliche Ruhe bei emotionalen Themen | Resignation statt Konfliktbereitschaft |
Systemische Führung fragt: Was steckt hinter den einzelnen Warnsignalen? Welche Reaktion zeige ich als Führungskraft auf dieses Verhalten und wie wird diese wahrgenommen?
Gegenmaßnahmen auf Mitarbeiter- und Teamebene – was wirklich wirkt
Motivation lässt sich nicht verordnen. Aber sie kann gefördert und ermöglicht werden. Drei systemisch fundierte Hebel haben sich in unserer Beratungspraxis als besonders wirksam erwiesen:
1. Auf Augenhöhe kommunizieren
- Echte Gespräche statt Mitarbeitergespräche „nach Protokoll“ führen
- Bedeutungsvolle Fragen stellen, die echtes Interesse zeigen und tiefer gehen, z. B. Was wäre dir wichtig einzubringen?
- Raum für Offenheit schaffen und Ambivalenz aushalten – auch bei unbequemen Themen
2. Wertschätzung konkret und sichtbar machen
- Anerkennung darf nicht standardisiert sein, sondern sollte persönlich und konkret sein
- Feedbackformate wie die „Warme Dusche“ oder systemische Resonanzrunden fördern Sichtbarkeit
- Positive Verstärkung sollte gezielt bei kleinen, aber bedeutenden Handlungen gegeben werden
3. Sinn klären und stiften
- Verbindung herstellen zwischen individueller Leistung und einem größerem Ziel
- Rollen klären: Was ist mein Beitrag – und warum ist er wichtig?
- Rituale und Routinen zur Erinnerung an den „Purpose“ des Teams schaffen und tägliche Aktivitäten daran ausrichten
Praxisanker: Das Lernzonenmodell (auch „3-Zonen-Modell“ genannt)
Ein bewährtes Reflexionsmodell zur Einschätzung von Motivation und Belastung ist das Lernzonenmodell:
🟢 Komfortzone: Routine, Sicherheit – aber auch Trägheit & Stagnation.
Hier kennen sich die Menschen aus und fühlen sich sicher. Viele Handlungen sind hier eingespielt und benötigen nicht sehr viel Energie.
🟠 Lernzone: Entwicklungszone – gesunde Spannung, Wachstum, Motivation.
Hier findet Lernen statt, wenn Begleitung und Unterstützung vorhanden ist.
🔴 Panikzone: Dauerstress, Kontrollverlust, Blockade, Rückzug.
Lernen findet hier nicht statt, stattdessen: Angst, Frust, Lähmung und Abwehr.
Ziel ist es, Teams sicher aus der Komfortzone in die Lernzone zu begleiten und eine ausgewogene Balance zwischen Stress einerseits und Leistung andererseits zu bieten. Der Weg ist hier für jeden unterschiedlich und hängt auch von der Persönlichkeit ab, daher sollte Führung hier individuell beobachten:
- Wer ist wo unterwegs?
- Wie kann eine Bewegung in die optimale Lernzone gestaltet und begleitet werden, ohne zu überfordern?

Entscheidend ist ein offener Umgang mit und Dialog zu diesen Themen – zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden und auch im Team. Daher arbeiten wir bei Kraus & Partner mit systemischen Feedbackinstrumenten: z. B. 360° Feedback und Team-Feedback, mithilfe derer Führung und Mitarbeitende gemeinsam den Blick schärfen.
Veränderung beginnt mit Beziehung
Innere Kündigung ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern ein Signal für verlorene Beziehung – zur Aufgabe, zum Team, zur Organisation. Wer dieses Signal erkennt, hat die Chance, neu ins Gespräch zu kommen und Motivation wieder zu ermöglichen.
Denn: Motivation entsteht nicht durch mehr Druck. Sie entsteht durch mehr Bedeutung.
Reflexionsbogen für Führungskräfte
Beobachte dein Team mit einem offenen Blick. Diese Checkliste hilft dir, potenzielle Anzeichen für Demotivation frühzeitig zu erkennen – bevor es zu Rückzug oder innerer Kündigung bei den Mitarbeitenden kommt.