Personen sitzen um einen Laptop und sprechen miteinander - New Leadership - Dr. Kraus & Partner

Wir haben es im Alltag mit einer Vielzahl an unterschiedlichsten Biases zu tun, die unser Denken, Fühlen und Verhalten beeinflussen. Ich möchte dir heute vier wichtige Biases vorstellen und einige Anregungen mit dir teilen, die dir dabei helfen können, diesen unbewussten Effekten zu begegnen. Bestimmt kennst du auch noch weitere Biases.

Bias 1: Horn-Effekt

Der Horn-Effekt beschreibt die Tendenz der unbewussten Verallgemeinerung eines schlechten (ersten) Eindrucks einer Person, den wir auf Basis einzelner Eigenschaften gewonnen haben. Ein einziges falsches Wort, ein verpatzter erster Eindruck – schon neigen wir dazu, der Person auch in anderen Bereichen Defizite zu unterstellen. Das kann dazu führen, dass wir ihren Charakter ungenau und unfair beurteilen. Mal ehrlich, das ist dir bestimmt auch schon passiert, oder? Mir auf jeden Fall.

Relevant ist dieser Bias zum Beispiel beim Recruiting neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Er kann dazu führen, dass potentialreiche Kandidatinnen ausgeschlossen und weniger geeignete Kandidaten eingestellt werden.

Wie können wir dem Horn-Effekt entgegenzuwirken? Ein paar Anregungen:

  • Ein diverses Team ins Bewerbungsgespräch schicken oder mehrere Gesprächsrunden mit unterschiedlichen Personen durchführen. So können verschiedene Perspektiven in die Bewertung einfließen.
  • Den ersten Eindruck hinterfragen und sich ausreichend Zeit nehmen, um die Person ganzheitlich kennenzulernen.
  • Urteile anhand von Fakten treffen. Bleib wachsam und frag dich, wie du den ersten Eindruck der Person entwickelt hast, finde Nachweise dafür, um den Eindruck zu untermauern oder zu widerlegen.

Bias 2: Confirmation Bias

Wir haben die Neigung, Informationen zu suchen und zu verwenden, die unsere eigenen Ansichten und Erwartungen bestätigen. Dieser sogenannte Confirmation Bias hindert uns daran, objektive Denkprozesse einzusetzen und kann dazu führen, dass wir Informationen fehlerhaft interpretieren und Informationen mit gegenteiligen Ansichten ganz übersehen.

Das können wir zum Beispiel in der Produktentwicklung beobachten. Auch wenn Marktstudien nur ein geringes Interesse an einer neuen Produktidee ergeben, versuchen Produktmanager oftmals, die Idee trotzdem zu bestätigen, indem sie sich bewusst an solche Vertreter der Zielgruppe wenden, von denen sie wissen, dass sie die Idee unterstützen werden. Wer begräbt schon gerne seine eigene Idee, nicht wahr?

Wie können wir dem Confirmation Bias entgegenzuwirken? Ein paar Anregungen:

  • Informationen aus mehreren Quellen suchen, um eine möglichst ausgewogene Perspektivenvielfalt zu bekommen.
  • Standardfragen nutzen (beispielsweise im Recruiting oder in der Marktforschung), um zu verhindern, dass ihr gezielte Fragen stellt, die die eigene Meinung über das Produkt oder die Person bestätigen oder nicht.

Bias 3: Affinity Bias

Der Affinity Bias beschreibt unsere Neigung, Menschen zu bevorzugen, die Merkmale wie Interessen, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung oder Erfahrungen mit uns teilen. In der Nähe von Menschen, die uns ähnlich sind, fühlen wir uns oft wohler.

Im Einstellungsprozess kann das beispielsweise dazu führen, dass ein Personaler einen Bewerber bevorzugt, weil sie beide die gleiche Hochschule besucht haben. Der Affinity Bias ist damit ein großer Bremser für Diversität in Unternehmen.

Wie können wir dem Affinity Bias entgegenzuwirken? Ein paar Anregungen:

  • Auch hier hilft wieder ein möglichst vielfältiges Bewerberteam, um einzelne Präferenzen auszugleichen.
  • Gezielt auf Menschen zugehen, die wir als anders empfinden und in den Austausch mit ihnen treten. Sprecht über kulturelle Unterschiede oder sucht Gemeinsamkeiten. So können wir lernen, uns in deren Umgebung wohlzufühlen.
  • Tipp: Denk doch mal über eine Diversifizierung deiner Social Media Feeds oder das Abonnieren von Accounts nach, welche neue Perspektiven eröffnen.

Bias 4: Gender Bias

Gender Bias ist die Bevorzugung eines Geschlechts gegenüber einem anderen und wird oft auch als Sexismus bezeichnet. Dieser Bias tritt in Erscheinung, wenn wir unbewusst bestimmte Stereotype mit verschiedenen Geschlechtern assoziieren – mit Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Gender Pay Gap. Stand 2021 liegt das durchschnittliche Gehalt von Männern etwa 18% höher als das von Frauen und bleibt damit unverändert im Vergleich zum Vorjahr. Der Gender Bias kann die Berufs- und Aufstiegschancen für bestimmte Bevölkerungsgruppen verringern. Fällt dir noch ein weiteres Beispiel aus deinem Umfeld ein?

Wie können wir dem Gender Bias entgegenzuwirken? Ein paar Anregungen:

  • Geschlechtsneutrale Einstellungsstandards einführen und Kandidatenprofile unabhängig des Geschlechts definieren.
  • Diversität in die Strategie aufnehmen und klare qualitative und quantitative Zielvorgaben für geschlechtsspezifisch ausgewogenere Teams einführen.
  • Frauen bei der Übernahme von Führungsaufgaben und -positionen unterstützen.
  • Regelmäßige Gehaltsprüfungen im Unternehmen durchführen.

Was ich persönlich aus den letzten Monaten mitnehme

Seit der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema Unconscious Bias versuche ich bewusster durch den Alltag zu gehen und auf meine kleinen Denkfehler zu achten. Immer wieder stoße ich auf Situationen, in denen ich in die Falle meiner Biases tappe. Ich versuche einerseits nachsichtig mit mir zu sein, denn Unconscious Biases haben wir alle, und andererseits bewusster in solchen Situationen zu agieren und gedanklich einen Schritt zurückzugehen, bevor ich die Situation bewerte oder gar handle oder entscheide.

Ich hoffe, dass ich auch dir ein paar Denkanstöße mitgeben konnte und kann dich nur dazu ermutigen, dich tiefer in die verzwickte Welt deiner Unsconscious Biases einzuwühlen. Es lohnt sich!

➡️ Wenn du noch mehr zum Thema Unconscious bias erfahren willst, dann schau dir doch mal den Artikel Unconscious bias: Eine Barriere für Diversity, Equity, Inclusion und Belonging an

Autor

  • Judith Sölter

    "Judith ist eine Beraterin der neuen Generation. Agilität liegt ihr im Blut. New Work ist für sie schon lange normal. Ihr Interesse gilt zukunftsweisenden Organisationskonzepten und Wegen, diese gut einzuführen."