
Wenn offene Grenzen plötzlich stocken
Montagmorgen, 7. Juli 2025: Am Grenzübergang Frankfurt (Oder) auf der A12 Richtung Polen stauen sich Lkw und Pkw kilometerlang. Was ist passiert? Polen hat an diesem Tag – erstmals seit Jahrzehnten – wieder Grenzkontrollen an seinen EU-Binnengrenzen eingeführt.
Beispiel: Lastwagenkolonnen stehen auf der Autobahn A12 bei Frankfurt (Oder). Solche Grenzkontrollen können den Warenverkehr erheblich verzögern. Laut Ankündigung der polnischen Regierung sollen vom 7. Juli bis zunächst 5. August an rund 50 Grenzübergängen zu Deutschland und Litauen rund um die Uhr Passagiere und Fracht kontrolliert werden. Reisende und Pendler müssen sich auf Wartezeiten einstellen – Staus und Verzögerungen werden zur neuen Realität im Sommer 2025.
Bemerkenswert: Eigentlich gilt in der Schengen-Zone Reisefreiheit ohne stationäre Kontrollen. Doch bereits seit Oktober 2023 hatte Deutschland – vor allem aus Migrationsgründen – stichprobenartige Binnengrenzkontrollen an der Grenze zu Polen eingeführt.
Diese Kontrollen wurden im Mai 2025 durch die Bundesregierung noch verschärft. Polen fühlte sich davon unter Druck gesetzt und reagiert nun seinerseits mit eigenen Kontrollen. Ministerpräsident Donald Tusk bezeichnete den Schritt ausdrücklich als Antwort auf die verschärfte deutsche Praxis bei der Zurückweisung von Migranten.
Eine Fragmentierung der eigentlich grenzenlosen EU wird plötzlich spürbar: „Unsere polnischen Nachbarn machen es genauso wie wir… Diese Eskalation war absehbar und ist dem europäischen Gedanken unwürdig“, kritisierte Jens Warnken von der IHK Brandenburg. Der freie Waren- und Personenverkehr – einer der Grundpfeiler der EU – bekommt Risse. Politische Maßnahmen einzelner Länder führen zu Grenzen im Kopf und realen Barrieren auf der Straße.
Mittelständische Lieferketten unter Druck
Für viele mittelständisch geprägte Unternehmen kommt diese Entwicklung ungelegen. Gerade Deutschlands Mittelstand ist eng mit den Nachbarländern verflochten – sei es durch Zulieferer, Kunden oder eigene Niederlassungen.
Polen zum Beispiel ist für Brandenburg der wichtigste Handelspartner; allein 2024 wurden Waren im Wert von rund 4,1 Milliarden Euro dorthin exportiert und 4,5 Milliarden Euro aus Polen importiert. Täglich pendeln über 14.000 Beschäftigte aus Polen nach Ostdeutschland, um in dortigen Betrieben zu arbeiten.
Und am wichtigsten Grenzübergang auf der A12 passieren pro Jahr etwa 4 Millionen LKW die deutsch-polnische Grenze in beide Richtungen. Man kann sich leicht ausmalen, was es bedeutet, wenn dieser Strom nun ins Stocken gerät.
Die Transport- und Logistikbranche schlägt bereits Alarm: Sie rechnet mit erheblichen Störungen im Grenzverkehr – Lkw-Staus künftig nicht nur bei der Einreise nach Deutschland, sondern auch auf dem Weg nach Polen. Das würde Lieferketten belasten und zu wirtschaftlichen Einbußen führen.
Auch die Industrie- und Handelskammern befürchten „massive Störungen der Lieferketten und Produktionsprozesse“ ab dem 7. Juli. Besonders Just-in-Time-Lieferungen, auf die viele Mittelständler setzen, sind verwundbar: Wenn Vormaterialien oder Komponenten nicht zur geplanten Stunde ankommen, steht womöglich das Band still.
Die Brandenburger IHK fordert daher pragmatische Lösungen – etwa Fast Lanes an der Grenze für zeitkritische Gütertransporte oder spezielle Passierscheine für Berufspendler, analog zu früheren Pandemie-Regelungen. Doch ob solche Maßnahmen kommen und wirken, ist ungewiss. Für viele Unternehmen heißt es einstweilen: improvisieren, warten – und aus der Not eine Tugend machen.
Mit proaktiver Prozessoptimierung zur Resilienz
Gerade in solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig robuste und flexible Geschäftsprozesse sind. Unvorhergesehene Verzögerungen in der Lieferkette prüfen die Resilienz von Unternehmen: Wie gut können wir Störungen abfedern und weiter handlungsfähig bleiben?
Die vergangenen Jahre haben gelehrt, dass Versorgungssicherheit mitunter wichtiger ist als maximale Effizienz. Pandemien, geopolitische Konflikte und nun fragmentierte EU-Grenzen – all diese Krisen haben ein Umdenken ausgelöst. Viele Mittelständler haben begonnen, ihre Lieferketten widerstandsfähiger aufzustellen, etwa durch mehr lokale Beschaffung, größere Lagerpuffer oder zweite Lieferanten für kritische Teile. Supply Chain Resilienz ist heute in aller Munde.
Hier knüpft Prozessoptimierung an: Es geht darum, Geschäftsprozesse so zu gestalten, dass sie sowohl effizient als auch anpassungsfähig sind. Doch Prozessoptimierung bedeutet mehr, als nur Verschlankung um jeden Preis – es geht auch um Stabilität und Reaktionsfähigkeit.
Unternehmen sollten sich fragen: Wo liegen in unseren Abläufen potenzielle Engpässe oder Single Points of Failure? Welche Prozesse würden als erste ins Wanken geraten, wenn Lieferungen sich um Tage verspäten oder Mitarbeiter plötzlich ausfallen?
Eine proaktive Prozessoptimierung setzt genau dort an. Einige Ansatzpunkte im Überblick:
- Transparenz schaffen: Nur wer seine Wertschöpfungskette klar vor Augen hat, kann Schwachstellen erkennen. Digitale Tools helfen, Lieferwege und Bestände in Echtzeit zu verfolgen. Eine erhöhte Transparenz macht es möglich, Probleme frühzeitig zu erkennen – etwa wenn ein Zulieferer unerwartet ausfällt – und schnell gegenzusteuern.
- Puffer und Flexibilität einplanen: Just-in-Time ist effizient, aber nicht fehlertolerant. Durch intelligente Bestandspolitik (Stichwort Just-in-Case) und flexible Produktionspläne können Firmen besser mit Verzögerungen umgehen. Das heißt nicht, Lagerkosten explodieren zu lassen, sondern kritisch zu prüfen, wo kleine Zeit- oder Materialpuffer sinnvoll sind, um Lieferengpässe abzufangen.
- Alternativen vorbereiten: Geopolitische Unwägbarkeiten machen deutlich, wie wertvoll Diversifizierung ist – bei Bezugsquellen, Transportwegen und Absatzmärkten. Ein mittelständischer Maschinenbauer, der neben dem Hauptlieferanten in Polen noch einen zweiten Zulieferer in Tschechien hat, schläft in solchen Zeiten ruhiger. Ebenso kann es sinnvoll sein, Logistikrouten zu überdenken: Vielleicht lassen sich zeitkritische Sendungen vorübergehend per Bahn oder Luftfracht umgehen, bis die Straßen wieder frei sind.
- Belegschaft einbinden: Resiliente Prozesse entstehen auch durch engagierte Mitarbeiter. Wer seine Teams für kontinuierliche Verbesserung (KVP) begeistert, wird feststellen, dass oft die besten Ideen zur Prozessoptimierung von denjenigen kommen, die täglich an der Wertschöpfung beteiligt sind. Dieses Mindset zahlt sich besonders in Krisenzeiten aus: Wenn alle an einem Strang ziehen, lassen sich kreative Lösungen finden – sei es ein geänderter Schichtplan, um Pendlerstaus auszuweichen, oder die kurzfristige Umverteilung von Aufträgen auf andere Standorte.
Solche Maßnahmen erfordern natürlich vorausschauende Planung. Proaktive Prozessoptimierung bedeutet, heute die Lehren aus den Risiken von morgen zu ziehen.
Unternehmen, die frühzeitig ihre Abläufe auf Robustheit trimmen, schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie eliminieren bestehende Ineffizienzen und stärken ihre Widerstandskraft gegen äußere Schocks.
In unseren Beratungsprojekten erleben wir immer wieder: Die Mittelständler, die ihre Prozesse kontinuierlich verbessern und flexibel halten, kommen besser durch unsichere Fahrwasser – sei es eine Pandemie, ein plötzlicher Zuliefererausfall oder eben unvermittelte Grenzkontrollen.
Abschließend lässt sich sagen: Grenzkontrollen in einer fragmentierten EU mögen vorübergehend sein – aber Unsicherheit und Wandel bleiben Dauerbegleiter. Für mittelständische Unternehmen heißt das, ihre Prozesse zur besten Versicherung zu machen.
Mit dem richtigen Blick und gelegentlicher externer Unterstützung können sie ihre Abläufe so optimieren, dass selbst Stau und Stillstand an politischen Grenzen das eigene Geschäft nicht zum Erliegen bringen. Oder positiv formuliert: Wer seine Prozesse im Griff hat, den wirft so schnell kein Grenzstau aus der Bahn. Das ist gelebte Resilienz im Mittelstand – und genau dabei kann eine kluge Prozessoptimierung helfen.
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