Unsere Artikel gibt es jetzt auch als Audioversion, gelesen von unserem Marketing Manager Thomas Piskor.
In unserer Artikel-Serie rund um unseren New Work Baukasten widmen wir uns heute dem Baustein „Lernen und Vernetzen“. Konkret möchten wir Euch unsere Sicht auf das Thema konstruktive Fehlerkultur in Unternehmen geben.
Konstruktive Fehlerkultur: Warum und wie?
Sie haben einen großen Fehler gemacht. Haben Sie beim Lesen dieses Satzes kurz gezuckt? Falls ja, sind Sie nicht allein. Der Begriff Fehler ist in unserer Gesellschaft und entsprechend auch in Unternehmen noch immer eher negativ konnotiert. Allerdings:
Denken Sie mal kurz nach. Wann ist Ihnen bei Ihrer Arbeit das letzte Mal ein Fehler unterlaufen? Eine versehentlich falsch versendete E-Mail, ein Rechtschreibfehler in einer wichtigen Präsentation, vielleicht sogar eine verschwitzte Deadline oder ein „Beinahe-Unfall“. Ihr letzter Fehler ist mit hoher Wahrscheinlichkeit noch gar nicht so lange her. Ist das schlimm oder verwunderlich? In den meisten Fällen: Nein. Denn Fehler sind menschlich.
Trotzdem gehen Menschen und Unternehmen sehr unterschiedlich mit Fehlern oder Misserfolgen um. Ob wir mit Sorge oder sogar Angst versuchen, Fehler zu vermeiden, oder ob wir sie als normal ansehen und sie sogar einkalkulieren, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst.
Was fixed und growth Mindset mit konstruktiver Fehlerkultur zutun haben
Carol S. Dweck, Psychologieprofessorin an der Stanford University liefert mit der Mindset-Theorie eine Erklärung für den individuell unterschiedlichen Umgang mit Fehlern und Misserfolgen. Dweck unterscheidet zwischen einem statischen Selbstbild (fixed mindset) und einem dynamischen Selbstbild (growth mindset).
Menschen mit einem statischen Selbstbild (fixed mindset) gehen davon aus, dass Intelligenz und damit auch Talent, Fähigkeiten und Eigenschaften angeboren sind. Man hat sie, oder eben nicht. Man kann bestimmte Dinge gut und bestimmte Dinge weniger gut. Menschen mit einem dynamischen Selbstbild (growth mindset) gehen hingegen davon aus, dass Fähigkeiten, Qualitäten und Eigenschaften durch Training und Anstrengung verändert und (weiter)entwickelt werden können. Je nach Selbstbild (fixed vs. growth) werden Fehler und Misserfolge entsprechend auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt und beeinflussen unser Denken, Handeln und unsere Emotionen unterschiedlich.
Während Personen mit einem fixed mindset Fehler und Misserfolg auf mangelnde (angeborene) Fähigkeiten und mangelndes (angeborenes) Talent zurückführen, schnell frustriert sind und aufgeben, empfinden Personen mit einem growth mindset Fehler und Misserfolg lediglich als Zeichen, dass sie sich nicht genug angestrengt haben. Für diese Personen sind Fehler und Misserfolg geradezu ein Ansporn, sich mehr anzustrengen, um beim nächsten Mal besser zu sein. Sie sind davon überzeugt, dass sie ihre Situation durch Aufmerksamkeit, Übung und Training verbessern können und begreifen den Fehler oder Misserfolg als Lernchance. Unser individuelles Mindset bestimmt also mit darüber, ob wir Fehler und Scheitern als unangenehm, frustrierend, inakzeptabel und schädlich oder als normal, notwendig für Fortschritt und Lernchance begreifen.
Warum eine konstruktive Fehlerkultur in Unternehmen wichtig ist
Neben dem individuellen Mindset bestimmt vor allem auch das Umfeld den Umgang mit Fehlern. So hat die Fehlerkultur eines Unternehmens entscheidenden Einfluss darauf, wie im Einzelfall auf Fehler reagiert wird. Obwohl der Begriff der Fehlerkultur im Zusammenhang mit New Work immer häufiger auftaucht, ist er in der Forschung bislang nicht eindeutig definiert. Klar ist, dass die Fehlerkultur Teil der Unternehmenskultur ist, von dieser beeinflusst wird und zu dieser passen muss. Während Kultur im Allgemeinen geteilte Werte, Normen und Überzeugungen beschreibt, liegt der Schwerpunkt der Fehlerkultur auf dem Umgang mit Fehlern und deren Folgen. Ähnlich zum fixed und growth mindset, kann die Fehlerkultur reichen von destruktiv (Fehler sind schlecht und sollten um jeden Preis vermieden werden) zu konstruktiv (Fehler sind nicht vermeidbar und eine willkommene Chance zu lernen).
In der heutigen globalisierten, digitalisierten und schnelllebigen Welt ist eine konstruktive Fehlerkultur für Unternehmen essenziell, da eine absolute Fehlervermeidung nahezu unmöglich ist und das Experimentieren mit Neuem und die stetige Weiterentwicklung notwendig für Erfolg sind. Durch Experimente und Fehler die passieren, entwickeln sich Unternehmen und lernen, sich an kurzfristige Änderungen von Rahmenbedingungen schnell und flexibel anzupassen. Entsprechend sind Fehler und Scheitern Teil des Alltags.
Was „konstruktive Fehlerkultur“ im Einzelfall bedeutet, kann von Unternehmen zu Unternehmen, von Branche zu Branche und sogar innerhalb von Unternehmen dennoch sehr unterschiedlich sein. So herrscht beispielsweise im medizinischen Bereich oder der Luftfahrtbranche eine weitaus geringere, bis zu Null-Fehler-Toleranz, als in kreativen Branchen oder Innovationsabteilungen. „Konstruktiv“ bedeutet aber, geschehene Fehler nicht mit „ist ja nochmal gut gegangen“ oder Schuldzuweisungen abzutun, sondern Fehler thematisieren zu können und sie zu analysieren, um daraus zu lernen.
Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern, also beispielsweise eine Führungskraft, die statt der Schuldfrage gegenüber Mitarbeitenden in die Lösungssuche geht und die offene Kommunikation eines Fehlers bekräftigt oder auch selbst zu begangenen Fehlern steht, ist essenziell, um auch in Zukunft Schaden durch Fehler vermeiden und eine Weiterentwicklung des Unternehmens fördern zu können.
Der offene Umgang mit Fehlern führt nicht nur dazu, dass Mitarbeitende die Angst verlieren, auch in Zukunft frühzeitig auf Fehler hinzuweisen, er steigert auch die Motivation und die Leistung und Kreativität der Mitarbeitenden und der Organisation als Ganzes.
Wie etabliert man eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen
Als Teil der Unternehmenskultur basiert auch die Fehlerkultur auf geteilten Werten, Normen und Überzeugungen, die das Verhalten der Unternehmensmitglieder prägen. Insofern ist es nicht ganz einfach, etablierte Verhaltensmuster und Glaubenssätze aufzubrechen und eine neue, konstruktive Kultur zum Umgang mit Fehlern zu etablieren.
Der erste Schritt zu einer konstruktiven Fehlerkultur ist es, sich dem eigenen Umgang mit Fehlern im Unternehmen bewusst zu werden. Sind die ersten Fragen, die gestellt werden „Was ist passiert und wer ist dafür verantwortlich?“ oder „Wie konnte das passieren und wie können wir für die Zukunft daraus lernen?“? Werden Fehler üblicherweise vertuscht und spät aufgedeckt, wenn bereits Schäden und Folgeschäden entstanden sind oder gelingt es, Fehler frühzeitig nach dem Entstehen zu identifizieren? Dieser erste Schritt klingt zwar simpel, ist in vielen Unternehmen aber nicht selbstverständlich, da Kultur nicht direkt sicht- und messbar und daher nicht immer bewusst ist.
Der zweite wichtige Schritt ist, Fehler und den Umgang mit Fehlern offen zu thematisieren. Offene und direkte Kommunikation, und zwar immer und immer wieder, helfen dabei, etablierte Denkmuster zu durchbrechen. Eine wichtige Vorbildfunktion nehmen hier Führungskräfte ein. Diese sollten ihre Mitarbeitenden immer wieder darin bestärken, Fehler offen zu kommunizieren und die Kommunikation von Fehlern entsprechend belohnen, das Verschweigen von Fehlern hingegen sanktionieren. Auch das Eingestehen von Schwächen und Fehlern von Seiten der Führungskräfte, kann bei Mitarbeitenden das nötige Vertrauen schaffen, gemachte Fehler offen zu legen.
Maßnahmen, wie die bekannten „Fuck-Up-Nights“, in denen explizit Misserfolge mit anderen geteilt werden, können ebenfalls eine Möglichkeit sein, den offenen Umgang mit Fehlern zu fördern. Wichtig bei solchen Maßnahmen ist aber, dass ein gegenseitiges Vertrauen geschaffen wurde, Misserfolge miteinander zu teilen. Gerade, wenn ein offener Umgang mit Fehlern im Unternehmen in der Vergangenheit weniger üblich war, kann es Überwindung kosten, sich plötzlich zu öffnen und über die eigenen, vermeintlichen Schwächen zu sprechen. Einzelmaßnahmen können ins Leere laufen, wenn sie nicht zur allgemeinen Unternehmenskultur passen.
Die gute Nachricht ist, in vielen Unternehmen findet bereits ein Umdenken statt und Fehler werden anders behandelt als noch vor 10 oder 20 Jahren. Das Mindset vieler Führungskräfte hat sich bereits gewandelt: Statt mit erhobenem Zeigefinger suchen sie mit ihren Mitarbeitenden gemeinsam nach Lösungen und beseitigen Fehlerquellen. Bis sich eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen etabliert, die über das Mindset des Einzelnen hinausgeht und ein starkes Kollektiv darstellt, ist jedoch in vielen Fällen auch noch einiges zu tun: Es benötigt entsprechende Strukturen, Prozesse und den Willen für Neues, um eine Kulturentwicklung hin zur konstruktiven Fehlerkultur zu begünstigen und nachhaltig möglich zu machen.
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